Blasmusik aus Adorf

© Bertin Gessinger
© Bertin Gessinger

Wie alles begann oder aller Anfang ist Schallmei?

Angefangen hat alles im Jahr 1929 als viele Adorfer Bürger sich in Vereinen organisierten, darunter Kuriositäten wie Verein der Freunde des Pfeiffenrauchens. In dieser Blütezeit des Vereinslebens überlegten sich einige Musikliebhaber, dass es an der Zeit wäre, einen Musikverein in Adorf zu gründen. Man schaute dabei auch etwas neidisch auf die langjährigen Traditionen diverser Orchester in der Nachbarstadt Markneukirchen. Aufgrund der Vielzahl an Arbeitern bei den Gründungsmitgliedern des Vereins, einigte man sich schnell auf das Instrumentarium. Die Schallmei sollte es sein. Damals war die Schallmei das Instrument der Arbeiter, ein Modeinstrument, das relativ leicht zu erlernen und kostenmäßig am ehesten erschwinglich war. Die neu gegründete Schallmeienkapelle fand sich schnell im Schoß des zu der Zeit sehr starken Arbeitersportbundes wieder. Auftritte gab es zu der Zeit sehr viele. Man pflegte ein ausgesprochen intensives Vereinsleben. Fast jedes Wochenende war man zu Auftritten, oft auch mit der ganzen Familie, unterwegs. Einfache, schmissige Märsche bildeten ausschließlich das Musikrepertoire dieser Zeit. Damalige Musikenthusiasten waren unter anderem Erich Schörner und Kurt Schreckenbach. Die zahlenmäßig sehr starke Kapelle war bald nicht mehr aus dem kulturellen Leben unserer Kleinstadt wegzudenken. Doch bald waren die schönen Jahre des Aufbruchs dahin. Die Nähe zur Arbeiterbewegung wurde dem Schallmeienorchester zum Verhängnis. Das Jahr 1933 war auch für die Musikkapelle sehr einschneidend, denn sie wurde mit sofortiger Wirkung von der nationalsozialistischen Ortsgruppe verboten. Bis 1945 sollte dieses Verbot aufrechterhalten werden. An ein geordnetes Musizieren und Probenabende war nicht mehr zu denken. Viele der Musiker waren zum Militärdienst abgestellt und verloren an der Front ihr Leben.

 

Neuanfang oder was macht ein Orchester ohne Instrumente?

Gleich nach Zerschlagung Hitlerdeutschlands 1945 fanden sich im Herbst desselben Jahres einige Unentwegte in Adorf zusammen, um wieder mit dem Musizieren zu beginnen. Man hatte sich an die kurze, aber schöne Zeit, in der es in Adorf einen Musikverein gegeben hatte, erinnert. Ein Neuanfang wurde gewagt! Die Möglichkeiten waren sehr begrenzt, bespielbare Musikinstrumente rar und die Mitglieder der ehemaligen Schallmeienkapelle im Krieg geblieben oder in alle Winde zerstreut. Improvisation war zu der Zeit gefragt. Doch das Häuflein der Musikfreunde wuchs rasch. Alte Musikinstrumente wurden gerichtet oder notdürftig geflickt. Die Kriegsheimkehrer bewegt, wieder im Musikverein mitzuspielen. In diesen Jahren hielt ein Mann die musikalischen und organisatorischen Fäden straff in seiner Hand. Dieser Mann prägte die Adorfer Musikergeneration bis in die 60er Jahre. Sein Name war Reinhardt Schreckenbach. Durch sein Wirken kam es bald zu einem ersten großen Auftritt: dem Deutschlandtreffen in Lübeck! Mit dem Schwung dieses Erfolges und der unbändigen Musikbegeisterung wurde bald eine zweite Schallmeienkapelle gegründet, einigen älteren Lesern noch als „Konsumkapelle“ bekannt. In Adorf gab es nunmehr etwa 100 organisierte Musiker. Jedoch schon im Jahre 1951 schlossen sich die beiden Schallmeienkapellen zusammen, um qualitativ höherwertiges Musizieren gewährleisten zu können. Weitere Auftritte folgten. So zum Beispiel 1951 bei den Weltfestspielen in Berlin oder 1954 zum I. Turn- und Sportfest in Leipzig. Dort bewies das Orchester seine mittlerweile hohe Professionalität und belegte einen 1. Platz beim Ausscheid aller Schallmeienkapellen der DDR. Im gleichen Jahr schloss man sich der Betriebssportgemeinschaft „Fortschritt Adorf“ an.

 

Neue Ziele oder zum Üben braucht´s einen langen Atem?

Den einschneidensten Wendepunkt im Schaffen des Orchesters stellte das Jahr 1958 dar. Die Mehrzahl der Musiker war mit der eingeschränkten Klangvielfalt eines Schallmeienorchesters nicht mehr zufrieden. Neue Reizpunkte sollten gesetzt werden. Es war die Zeit gekommen, das Instrumentarium auf Blasinstrumente umzustellen. Trompeten und Klarinetten wurden angeschafft. Posaunen und Tuben mussten her. Der Instrumentenfundus wurde Schritt für Schritt ausgebaut. Es fanden sich Baritone, Tenorhörner und Pistons. Aber auch diverse Trommeln und ein wunderschönes Glockenspiel, das sich noch heute im Besitz des Vereins befindet, wurden beschafft. Die auf die Umstellung folgende intensive Probenarbeit wurde erfolgreich und begeistert absolviert. Das Orchester war nun nicht mehr aus den Teilnehmerreihen aller Turn- und Sportfeste der DDR wegzudenken. Erste Plätze in den jeweiligen Musikwettbewerben der Blasorchester wurden mehrfach verzeichnet. Aber bald sollte für Reinhard Schreckenbach die Ära als musikalischer Leiter des Blasorchesters krankheitsbedingt enden. Im gleichen Jahr 1964 wurde man auf einen sehr ambitionierten Musiker des Kurorchesters Bad Elster aufmerksam. Albert Adler, damaliger 1. Geiger in Bad Elster, übernahm nun die Stabführung. Musikalisch entwickelte sich das Orchester rasant weiter. Konzertante Stücke hielten nun Einzug. Selbst an Arrangements von Gershwin, Cole Porter oder Charlie Chaplin wagte man sich heran. Ausgezeichnet wurde das Orchester 1973 mit der Teilnahme an den Weltfestspielen in Berlin. Albert Adler arrangierte und komponierte hierzu die Musik und avancierte zum Dirigenten eines Orchesters von 3000 Musikern. Die Auftritte des Adorfer Laienorchesters häuften sich. So kam es jährlich zu durchschnittlich 30 Konzerten. Dazu gehörten unter anderem Kurkonzerte in Bad Elster, Musikfestivals, Umrahmungen von Festveranstaltungen sowie Blasmusiktreffen. In diesem Zeitraum stießen aufgrund der sehr guten Zusammenarbeit mit der Musikschule Adorf viele jugendliche Musiker zum Orchester, so dass ständig ein Stamm von ca. 25-30 Aktiven musikalisch tätig war.

 

Jahre des Umbruchs oder wie verhindert man das Aus?

1990 endete diese Situation abrupt. Das Blasorchester trat aus dem DTSB aus. Die musikalische Auftrittstätigkeit kam zum Erliegen. Man war in einer Phase der Besinnung. Sollte dies das Aus für die Blasmusik in Adorf sein? Glücklicherweise besannen sich einige Enthusiasten im März 1991 der langjährigen Tradition und gründeten, basierend auf das ehemalige Blasorchester, den Musikverein Adorfer Blasmusikanten e.V. neu. Federführend seien hier die musikalischen Leiter Werner Mai und Peter Steinmann sowie der damalige Vorstand Günther Beckert genannt. Der Musikverein betrat nun Neuland. Erstmals wurden Arrangements mit Gesang zur Aufführung gebracht. Dies wurde vom Publikum sehr gut aufgenommen. Die nunmehrige Aktivenzahl betrug gerade noch 15. Viele jugendliche Musiker waren weggezogen, hatten ein Studium begonnen oder auch die Lust am Musizieren verloren. Zudem schlug sich das Orchester mit Problemen herum, die es vorher nicht gab! Auftritte mussten organisiert und Werbung in eigener Sache gemacht werden. Aber auch ein intaktes Vereinsleben musste erst „erlernt“ werden. Unterstützung fanden die Adorfer Blasmusikanten bei zwei Partnerkapellen aus den alten Bundesländern. Tatkräftig halfen die Vorstände und Mitglieder der Plüderhäuser Musikanten und der Hubertshofener Musikkapelle (einem Ortsteil der ehemaligen Adorfer Partnerstadt Donaueschingen) mit, dem jungen, alten Verein das Wachsen und Gedeihen in neuer Form zu erleichtern und bürokratische Fallstricke aus dem Weg zu räumen. Durch mehrere Treffen der Vereine konnte die Verbundenheit, trotz der großen Entfernung, dauerhaft bewahrt und Musikerfreundschaften geschlossen werden. Dokumentiert wurde dies zum Beispiel durch die Teilnahme der Hubertshofener an der 700-Jahr-Feier Adorfs oder der erstklassigen Musikgala der Plüderhäuser Musikanten im Vorfeld der Feierlichkeiten.

 

Die Adorfer ein fester Bestandteil der Blasmusik im Vogtland oder wie geht's weiter?

Im Laufe der Jahre etablierten sich die Adorfer Blasmusikanten durch zahlreiche Auftritte. Die Entwicklung ging nicht mehr so rasant vonstatten aber dafür stetig. Die Musikeranzahl konnte stabil gehalten werden. Auch das Repertoire wuchs ständig. Und bald bestimmten nicht nur Egerländer Musik und volkstümliche Weisen, sondern auch moderne Rhythmen den Spielplan. Die ausgewogene Besetzung mit zum Teil sehr jungen, aber hochtalentierten Musikern, ermöglichte die Ausrichtung auf neue Arrangements. Dies alles wäre jedoch nicht möglich gewesen, gäbe es nicht die vielen fördernden Mitglieder und Sponsoren, die am regen Vereinsleben, seien es gesellige Zusammenkünfte oder gemeinsame Ausfahrten, in Verbundenheit teilnehmen und das Orchester in seinem Schaffen bislang großzügig finanziell unterstützten. Dafür gebührt den fördernden Mitgliedern sowie den Sponsoren unser Dank und vollste Anerkennung. Großes Engagement und Tatkraft zeigt auch der mittlerweile stark verjüngte Vorstand unter der Leitung des rührigen Vorsitzenden Hartmut Kunze, der es immer wieder schafft, unvergessliche Vereinsausflüge zu organisieren. So wurden unter anderem in den letzten Jahren als Mehrtagesfahrt eine „Weintour“ nach Volkach am Main und eine „Biertour“ nach Kloster Weltenburg unternommen. Um weitere runde Geburtstage des Musikvereins feiern zu können, muss allerdings die Nachwuchsarbeit intensiv fortgeschrieben werden. Die derzeitige Personaldecke der Aktiven lässt kaum Ausfälle zu. Durch die Kooperation mit der Musikschule Adorf und deren Leiter Michael Hiller können wieder erste Erfolge bei der Gewinnung von talentierten Nachwuchsmusikern verzeichnet werden. Gerade durch das Aufeinandertreffen von Jung und Alt und deren musikalischen Interessen konnte ein breit gefächerter Musikstil von konzertanter Blasmusik über Egerlandweisen bis zu Schlagern und Musicaltiteln einstudiert werden. Dieses umfangreiche Repertoire wird mittlerweile nutzbar gemacht bei Auftritten über die Grenzen des Vogtlandes hinaus, beispielsweise zu Konzerten im Erzgebirge oder auch bei Auftritten in Berlin. 

 

Die Vereinsmitglieder würden sich freuen, weiteren Bläsernachwuchs in ihren Reihen begrüßen zu dürfen um die lange Tradition der Adorfer Blasmusik erfolgreich fortführen zu können. Dazu wurde in Absprache mit der Musikschule Adorf eine finanzielle Beteiligung an den Musikschulgebühren vereinbart. Dies bedeutet, dass der interessierte und talentierte Bläsernachwuchs kostengünstig die Musikschule besuchen kann und dafür zukünftig die Reihen der Adorfer Blasmusikanten verstärkt. Jederzeit herzlich willkommen sind aber auch ehemals aktive Musiker - nicht nur des Adorfer Orchesters.